Wir stellen die Entwicklung und das Training des zweijährigen Isländers Heri in mehreren Videos vor. Hier die Infos zu seiner Reha-Geschichte:
Was tun nach Verletzung, OP oder Krankheit, wenn die körperlichen Funktionsfähigkeiten und gesunden Bewegungsabläufe wiederhergestellt werden müssen? Nicht nur bei uns Menschen, auch bei Pferden wird durch gezielte Physiotherapie an der vollständigen Genesung gearbeitet.
Wie wertvoll sich dieses Training auswirkt, habe ich mit dem zweijährigen Isländer „Heri“ erlebt.
Heri wird im Mai 2015 geboren und zieht sich als Saugfohlen im Alter von nur 4 Wochen eine schwerwiegende Weideverletzung zu. Die tiefen Verletzungen und das Narbengewebe am Röhrbein erlauben keine klare Diagnostik mit bildgebenden Verfahren. Monatelang schont er seine rechte Hintergliedmaße vollständig und steht auf drei Beinen im Stall.
Nachdem er im Alter von 7 Monaten auch noch eine Druse-Infektion durchstehen muss, wird ihm im März 2016 ein Hufschuh angepasst, damit er endlich beginnt, sein rechtes Hinterbein zu belasten. Um ihn 8 Wochen später unter Aufsicht in die ruhigere Stutengruppe integrieren zu können, wird er im Alter von 12 Monaten kastriert.
Zu diesem Zeitpunkt belastet Heri seine rechte Hinterhand zwar, aber sein Bewegungsablauf ist gestört. Seine motorischen Fähigkeiten sind durch sehr schwache Muskelkraft, mangelhafte Koordination sowie einen eingeschränkten Gleichgewichtssinn erschreckend schlecht. Deswegen kann Heri in seiner Herde nicht mithalten. Die folgenden 12 Monate verändert sich seine Situation trotz intensiver Bemühungen der Besitzer und Physiotherapeuten nicht. Mittlerweile ist er mental abwesend und wirkt, als habe er keine Lebensfreude mehr.
Da Heri als austherapiert gilt, fragen sich seine Besitzer Juliane Uhlig und Steffen Baumann vom Tempelhof sich im Frühjahr 2017, ob ein Leben ohne Leiden für ihn jemals möglich sein wird. Erstmals wird darüber nachgedacht, ob er erlöst werden muss.
Durch einen glücklichen Zufall kommen Juliane und ich in Kontakt.
Am 12. April 2017 zieht Heri zur 10-wöchigen, stationären Physiotherapie bei uns auf Hof Steigerwald ein. Mit der Zielsetzung Muskeln aufzubauen, seine Koordinationsfähigkeit zu schulen und seinen Gleichgewichtssinn zu fördern, beginne ich eine Bewegungstherapie mit ausgewählten Trainingsgeräten.
Für dieses Vorhaben nutze ich die von mir entwickelte „Ganzkörperwippe“ und die 3-Meter Wippe, den Drehteller sowie den Stepper. Später kommt das Training auf einem 8 cm schmalen Balancierbalken zur Schulung der Tiefensensibilität als weitere Herausforderung für Heri hinzu. Auch die nimmt er gerne an und meistert sie mit viel Freude.
Möglich ist das alles durch Training mit positiver Verstärkung, bei dem das Pferd sich Futter für seine Krankengymnastik verdienen kann. Mein einzigartiger Erfahrungsschatz bei der Anwendung der angewandten Verhaltensanalyse im Pferdebereich hilft dabei, für jedes Pferd den individuell optimalen Trainingsweg zu gehen.
Nach täglichen Physiotherapie -Einheiten von ca. 20 Minuten ist er Ende Juni 2017 nicht wiederzuerkennen: Im Laufe des Trainings haben sich alle seine Fähigkeiten zusehends entwickelt. Heri hat durch die erfolgreiche Bewegungstherapie zum einen körperlich aufgeholt und wird nun mit Gleichaltrigen mithalten können, zum anderen hat er durch sein neues Körperbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Motorik an Lebensfreude und Lebenswillen hinzugewonnen.
In meiner eigenen, kleinen Pferdeherde auf Hof Steigerwald erlebe ich nun, dass er sich wie ein „ganz normaler“ Zweijähriger benimmt. Darum reiste Heri am 28. Juni zurück in seine Heimat, wo er endlich ein altersgemäßes Leben führen kann.
Fotos & Video: Nina Steigerwald
Videogestaltung: Regina Rickenbach